Alle reden von Kultur. Sie soll sich ändern zu mehr Agilität, Unternehmergeist, Kooperations- und Entscheidungsfreude. Es werden detaillierte Analysen, Umfragen, Fokusgruppen und Workshops durchgeführt, um kulturelle Handlungsfelder zu identifizieren. Das kann Monate dauern und bis die Ergebnisse vorliegen ist häufig die „die Luft ist raus“. Was oft bleibt sind reine Absichtserklärungen und Frust.
Schnell und einfach Geht das auch anders und effektiver? Was, wenn Veränderung spontan passieren würde? Es ist wesentlich einfacher einige, wenige Details zu verändern, als gleich ganze Glaubenssätze, Einstellungen und Verhaltensmuster. Kleine und unscheinbare Aspekte der Umgebung können eine substantielle Wirkung auf Entscheidungen haben. Verhaltensforscher meinen, dass wir berechenbar irrational sind. Und was berechenbar ist, kann zu einem gewissen Grad beeinflusst werden. Mit dem Einsatz von „Nudging“ kann Verhalten von Menschen beeinflusst werden, ohne sie zu beschränken. Sie werden durch kleine Stupser zu einem gewünschten Verhalten angeregt. Verhaltensänderungen lassen sich so durch die gezielte Gestaltung des Arbeitsumfelds in relativ kurzer Zeit erreichen, sofern dabei Verhaltens-wissenschaftliche Erkenntnisse systematisch berücksichtigt werden. Dabei kommen weder Regeln, Vorschriften noch Verbote zum Einsatz, denn beim Nudging bleibt die Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen gewahrt. Es wird lediglich die Entscheidungssituation so gestaltet, dass es leichter fällt, sich für das gewünschte Verhalten zu entscheiden. Wichtig ist dabei, dass die Mitarbeiter ihre Wahlfreiheit behalten. Führend in diesem Bereich sind die großen Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley. An der US-Westküste besitzt systematisches Nudge Management schon länger eine große Bedeutung. Die Büros von Google und Co. sind so gestaltet, dass sie ständig Nudges an die Mitarbeiter senden. Das reicht bis in die Kantine hinein, in der kleine Teller dazu anregen, weniger zu essen. Gesundes Obst steht auf Griffhöhe, Süßigkeiten eher versteckt. Die vielversprechenden Ergebnisse veranlassten wohl auch Laszlo Bock, den ehemaligen Personalchef von Google 2018 mit einem „Nudge Engine“ auf den Markt zu gehen . Er verfolgt dabei die ehrgeizige Mission durch die Kombination von maschinellem Lernen und Verhaltensökonomie die Arbeit von allen überall besser zu machen. Nudging in der Praxis Erfolgsentscheidend ist der sorgfältig geplante Einsatz von Nudges. Dann können sie ein Treiber für Kulturwandel und Transformation sein. Die folgenden vier Grundprinzipien erhöhen die Wirksamkeit von Nudges
Nudges können zur Erhöhung der persönlichen Produktivität eingesetzt werden. Ein Beispiel ist Habitica, das Menschen dabei hilft, ihre Gewohnheiten im realen Leben zu verbessern. Es "gamifiziert" die Vorhaben, indem es alle Aufgaben in kleine Monster verwandelt, die man besiegen muss. Je besser man sich dabei anstellt, umso weiter kommt man. Auch Diversity Mangement kann von Nudges profitieren. Führung ist typischerweise männlich konnotiert. Wenn man sich mehr Frauen in Führungspositionen wünscht, ist die Präsentation von Beispielen erfolgreicher Frauen ein wirksamer Nudge um dieses Klischee zu überwinden. Nudges ergänzen die bestehenden Ansätze zur Weiterentwicklung der Organisationskultur. Wer den Kulturwandel beschleunigen will, sollte nicht allein auf das Management des Verstands setzen, sondern auch die Instinkte der Mitarbeiter gezielt nutzen. So lassen sich mit vergleichsweise einfachen Mitteln die Innovationskraft und die Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Grenzen und Risiken Viele Nudges scheinen gut zu funktionieren. Es ist allerdings schwer, ihre Langzeitwirkungen einzuschätzen. Zudem beschränken sie sich auf konkrete, klar definierbare Verhaltensweisen und können daher größere Veränderung nur unterstützen. Sie sind kein Ersatz für die traditionellen Instrumente des Change-Managements. Wenn Organisationen den Menschen systematisch Entscheidungen abnehmen oder in eine bestimmte Richtung hin «erleichtern», kann eine auf Eigenverantwortung basierende Entscheidungsroutine nur schlecht gedeihen. Die eigene Bewertung der Welt und ihrer Sachverhalte erfordert Mut. Systemkonforme Mitarbeiter, die ihre Vorgaben brav erfüllen, gelten traditionell auch als die Besten, denn ein Abweichen von der Norm ist hier schlicht ein Fehler. Die Abweichung von der Norm ist allerdings der Schlüssel zu Innovation und Verbesserung. Nudging lebt von Einseitigkeit, nicht vom Dialog. Zugrundeliegende Neigungen und Verzerrungen werden nicht adressiert und Nudges müssen dauerhaft aufrechterhalten werden. Kritischer wird die Lage im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Digitalisierung. Mit Big-Data-Ansätzen und intelligenten Maschinen lässt sich Nudging auf eine neue Stufe heben – Big Nudging ist das Stichwort. Für die Beeinflussung des Menschen durch den Computer hat B.J. Fogg, der Pionier in diesem Forschungsgebiet, den Begriff "Captology" geprägt, als Kunstwort, das sich aus dem Ausdruck "computers as persuasive technologies" ableitet. Aufmerksamkeit erzeugen, die Einstellung beeinflussen und vielleicht sogar das Verhalten nachhaltig ändern – das ermöglichen „persuasive Technologien“. Mit personalisierter Information werden Vorschläge unterbreitet. Anwendungen haben oftmals die Aufgabe, etwas beim User zu bewirken, sei es eine Einstellung oder Beurteilung zu ändern oder sie zu einer unmittelbaren Handlung zu bewegen. Wenn man von der Beeinflussung von Menschen durch oder über Computertechnologien spricht, muss man dies auch durch eine ethische Betrachtungsweise näher beleuchten. Die zentrale Frage hierbei ist, ab wann ein Mensch nicht mehr selbstständig beurteilen kann, ob die vom Computer vermittelten Aspekte richtig oder falsch sind. Der Anbieter persuasiver Technologien hat hierbei also auch eine gewisse Verantwortung zu prüfen, ab wann die Kontrolle durch den Menschen verloren gehen kann und die Persuasion gänzlich von der Technologie bzw. derer Eigenschaften bestimmt wird. Ethisch unbedenklich sind dabei Situationen, in denen die Initiative zur Nutzung und Persuasion vom User ausgeht, dieser also gezielt zu etwas bestimmtem "überredet" werden will. Ein gutes Beispiel sind Anwendungen, die in Interaktion mit Home-Fitnessgeräten des Users z.B. dessen Kalorienverbrennungswerte während einer sportlichen Übung ermitteln können und ihn so motivieren, weiterzumachen. Der User ist sich hier über Wirkung und Nutzen der Persuasion im Klaren und nutzt das Angebot gerade deswegen, sodass daran ethisch nichts Verwerfliches zu erkennen ist. Von einer Grauzone spricht man dagegen, wenn die Persuasion vom Nutzer nicht gewollt ist. Hier ist von entscheidender Bedeutung, welche Absichten auf der "Angebotsseite" dahinterstehen. Von unethischem Verhalten spricht man in vielen Fällen, in denen die User über irgendetwas getäuscht werden. Eine klare Abgrenzung zwischen ethischem und unethischem Einsatz von Nudging ist schwer zu finden und sehr umstritten. Notwendig ist aber eine kritische ethische Betrachtung des Persuasive Computing bei dem handelnden Menschen keine selbständige Beurteilung der Korrektheit einer ihm vom Computer vorgeschlagenen Handlungsanweisung mehr möglich ist. Problematisch ist der Übergang, ab wann und über welche Mechanismen der Computer sich hierbei verselbständigt und zum Herrscher über den Menschen wird. „Du kannst jemanden ändern, wenn Du ihn akzeptierst“ (Laotse) Der Grat zwischen Nudging und Manipulation ist schmal und der Einsatz von Nudges laut Thaler von drei Grundsätzen geleitet werden.
Nudges können und dürfen nur dazu dienen, den einen oder anderen Schritt zu erleichtern. Weniger ist hier jedenfalls mehr. Nudges müssen daher sorgfältig ausgewählt und gestaltet, die Zielgruppen beteiligt und der relevante Kontexts berücksichtigt werden. Das führt dazu, dass sich die Mensch gerne „anstupsen“ lassen. |
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